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U m N i c h t s . . . i n s O f f e n e g e
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Zur Finissage „Gestalten um Nichts“ am 15. 1. 2006 in der Galerie ART & WIESE von Michael Denhoff Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, die Sie heute zum
Abschluß der Ausstellung „Gestalten um Nichts“ in die Galerie ART & WIESE
gekommen sind, zur Eröffnung dieser Ausstellung im November sprach
Hans-Joachim Pieper in Bezug auf die Skulpturen von Wolfgang Ueberhorst vom
Fehlen einer verbindlichen Deutung, auch wenn durch die Gestaltung, durch die
bildhauerische Arbeit das Nichts greifbar und sichtbar, ein Etwas wird. „Das
Nichts der Bildhauerei“, so Pieper, „ist einerseits der Raum, andererseits
die Welt der Bedeutungen, des Sinns, kurz: die geistige Welt.“ All dies gilt meines Erachtens auch ganz grundsätzlich für die
Musik, die sich mit ihrer ephemeren Gestalt des Klingens und Verklingens
stets in ein Nicht-mehr-klingen und damit in ein
anderes flüchtiges Etwas verwandelt, welches sehr viel mit Erinnerung zu tun
hat. Die Erinnerung – nur sie kann Sinn und Bedeutung stiften und
somit unsere geistige Welt formen - ist ein besonderes Phänomen von Raum und
Zeit, und sie ist grundsätzliche Vorraussetzung für die Rezeption
musikalischer wie bildhauerischer Gestalten. Denn eine Skulptur zeigt sich dem Betrachter, bedingt durch
ihre dreidimensionale Ausdehnung, nie in ihrer räumlichen Ganzheit. Sie
entsteht als Ganzes nur im Kopf, nachdem sie von allen Seiten her betrachtet
wurde. Klänge können die Zeit, in die sie sich ausdehnen und in die
sie hineingestellt sind, zwar gleichzeitig aufheben, kraft dessen, wie sie
dieser Zeit Gestalt geben, dennoch kann der Hörer ein Musikstück ebenfalls
nie als Ganzes in einem Moment erfassen. Nur die Erinnerung hilft ihm, das
Gehörte im Nachhinein als eine Einheit zu begreifen. Wenn Sie nun heute in diesem Raum, der mit den Skulpturen von
Wolfgang Ueberhorst seine eigene Gestaltung erfahren hat, Musik hören werden,
so bietet sich damit eine Möglichkeit, die bildhauerischen und musikalischen
Gestalten in einen imaginären Dialog treten zu lassen. Dieser Dialog ist im
konkreten Fall mit den beiden gleich zu hörenden Klavierstücken ein ganz
besonderer, denn beide Werke stehen in mehr oder weniger direktem Bezug zur
Arbeit des Bildhauers. Ich bin seit vielen Jahren mit Wolfgang Ueberhorst befreundet
und der gegenseitige Gedankenaustausch über das, was Kunst (ganz allgemein)
kann und was sie nicht kann, was Musik und bildende Kunst verbindet und was
sie trennt, hat sicherlich sicht- und hörbare Spuren hinterlassen in dem, was
dann in Klang oder Form bei der jeweils eigenen Arbeit Gestalt annahm. … AL NIENTE … (ins Nichts, auf das Nichts zu) schrieb ich im
Jahr 2002. Das Stück ist der komponierte Versuch einer Antwort auf seine
immer wieder salopp gestellte Frage „Wie klingt eigentlich ein Loch in der
Musik?“, einer Frage, der er sich als Bildhauer in seinem Metier ebenfalls
immer wieder stellte, wie ja diese Ausstellung mit ihren „Gestalten um
Nichts“ eindringlich belegt. Meine Musik besteht aus sieben verschiedenen Klanggesten, die
sich jeweils auf sieben verschiedene Arten verkürzend und nach und nach
letztlich ganz verschwindend wiederholen: ein klingendes Auslöschen. Es ist
ein sich stets veränderndes Erinnern und Vergessen. Zurück bleibt das nachklingende
Nichts, dem sich die Klänge immer mehr nähern … Bei diesem Prozeß gibt es zusätzlich eine Art Meta-Ebene durch
Klänge, die gar nicht gespielt werden, die aber als Resonanz des Erklingenden
durch stumm niedergedrückte Tasten des Instrumentes entstehen. Das, was fehlt, das, was nicht mehr da ist, bleibt bei diesem
Prozeß des Verschwindens dadurch da, gewinnt eine imaginäre Materialität
jenseits des reell Erklingenden. Es geht also auch um die Wahrnehmung beim
Hören und Lauschen in diesem Stück, das in seiner sehr zurückgenommenen
Außengestalt damit der Innengestalt neue Bedeutung und Inhalt zuspielt. Mit dem Klavierstück SKULPTUR V, welches hier anschließend
erstmals durch die Pianistin Susanne Kessel aufgeführt wird, können Sie das
klingende Ende eines neunjährigen interdisziplinären Dialogs miterleben, den
ich seit 1996 mit Wolfgang Ueberhorst führte. Bei diesem nonverbalen „Gespräch“ reagierte ich zunächst auf
eine Bronce-Skulptur des Bildhauers mit einem
Klavierstück (SKULPTUR I), auf dieses Klavierstück antwortete er mit einer
weiteren bildhauerischen Arbeit, die mich wiederum zum nächsten Klavierstück
inspirierte, usw. Das Reagieren und Deuten sollte – so war es verabredet –
stattfinden, ohne miteinander über die gedanklichen Hintergründe der eigenen
Interpretation der jeweiligen „Antwort“ zu sprechen: nur das Gesehene und das
Gehörte sollte die Dynamik dieses Prozesses hin zu neuer Gestalt bestimmen. Weit über das nur Sichtbare und Hörbare hinaus entstanden dabei
übergreifende geistige Zusammenhänge, die nicht allein mehr mit rein formalen
Entsprechungen oder empfundenen Analogien zu erklären sind. Die jeweiligen „Antworten“ sind sowohl nachdenkendes Reagieren
als auch weiterführendes Ergründen dessen, was das Einende und gleichzeitig
Trennende von Musik und bildender Kunst ist, etwas, das sich eben vielleicht
nicht genauer und richtiger als in dieser Form benennen läßt. Das für uns beide so Faszinierende bei dieser besonderen Form
des Sich-Austauschens war dabei das Gefühl, zu
klanglichen und bildhauerischen Lösungen zu kommen, formal wie inhaltlich,
die ohne diese wohl bisher einmalige Art eines „Dialogs“ nicht möglich
gewesen wären. So sind meine fünf Klavier-Skulpturen alle bestimmt von einer Körperlichkeit,
die in meinen anderen Werken nicht so stark ausgeprägt ist. Die durch den
musikalischen Text vorgegebenen Bewegungsabläufe des Interpreten während des
Spiels werden selbst zum wichtigen Bestandteil des jeweiligen Stückes. Die
Aufführung der „Skulpturen“ wird selbst zum Akt räumlichen wie skulpturalen Denkens. Sie finden die impulsgebende Skulptur von Wolfgang Ueberhorst
zu meiner letztmalig reagierenden SKULPTUR V für Klavier in dieser
Ausstellung. Schauen und hören Sie - Musik und Skulptur getrennt - und lassen
Sie erst im Nachhinein die jeweiligen Wirkungen miteinander verschmelzen.
Dann könnte das gelingen, was auch wir uns von unserem „Dialog“ erhofften:
eine Sinn stiftende geistige Welt, die in ihrer Bedeutung dennoch offen
bleibt für Deutungen, die Gebilde unserer Anschauung und Einbildungskraft
sind. © Michael Denhoff (Januar 2006) |
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