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Z u m T o d e W o l f g a n g U e b e r h o r s t s |
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(*21.9.1952 – †23.11.2017)
Liebe Angehörige, liebe Freunde, verehrte Trauergemeinde,
aus der griechischen Antike stammt die häufig zitierte Klage: „Am besten wäre es, nie geboren zu sein.“ Aber, so füge ich gern hinzu, wem gelingt das schon? Uns allen, die wir jetzt hier sind, ist das nicht gelungen. Und auch Wolfgang Ueberhorst, von dem wir Abschied nehmen wollen, ist das nicht gelungen – zum Glück! Fast jedem Menschen werden Stunden zuteil, in denen er das Leben für alles andere , als ein Geschenk hält. Dann ist der Seufzer verständlich: „ Am besten wäre es, nie geboren zu sein.“ Von solchen Stunden hat auch Wolfgang sein Teil abbekommen. Trotzdem hat er, wie wir alle, das Leben angenommen – ein vielfältiges, umgreifendes, lebendiges Leben! Mögen Wolfgangs Skulpturen auch zum Teil, wie ich einmal gesagt habe, „Gestalten um Nichts“ sein, Wolfgang selbst war keine Gestalt um Nichts, sondern die Gestalt eines bedeutenden, anregenden Künstlers und Menschen. Insofern aber, als letztlich unser aller Schicksal der Tod ist, sind wir allesamt kaum mehr als Gestalten um Nichts. Und es war nicht zuletzt dieses Wissen, aus dem heraus Wolfgang seine Bildwerke schuf, aus diesem Nichts, getragen von diesem Nichts, um dieses Nichts herum. In gewisser Weise, meine ich, verkörpert Wolfgang Ueberhorst ein Ideal der Romantik. Er verfügte über einen scharfen, auch schneidenden Verstand nicht weniger als über tiefes, umfassendes, ja, umarmendes Gefühl. Er verstand es zu trennen, zu scheiden, zu analysieren. Aber nicht minder vermochte er zu verbinden, Einheit aufzuspüren und Einheit zu produzieren. Wolfgang Ueberhorst war in erster Linie ein bildender Künstler, Bildhauer vor allem. Dabei war er ein präziser, fachkundiger Handwerker. Er war aber auch Musiker, er liess sich von Musik inspirieren und inspirierte seinerseits die Musik. Er beschäftigte sich mit Sprachen und war Freund und Kenner der Philosophie und Dichtung.Und war er auch manchmal kantig, zynisch sogar, fühlte er doch für all das eine tiefe Liebe: Liebe zur Kunst, Liebe zu Frauen, Liebe zu seinen Kindern, zu seinen Freunden, Liebe zu allem, was zu einem ausgefüllten, guten Leben gehört. Liebe Freunde, die Griechen sagen auch, wer früh stirbt, sei ein Günstling der Götter. Aber sterben zu müssen zu einer Zeit, da gerade diese Liebe sich zu entfalten beginnt, da diese Liebe Gelöstheit bringt und manche Verkrampfung und Enttäuschung des Lebens überwindet, das ist wahrhaft bitter. Es erinnert mich an Albert Camus, von dem gesagt wird, dass er gerade mit der Arbeit an einem neuen Werkzyklus, einem Zyklus der Liebe, begonnen hatte, als ihn der Tod „überraschte“. Das Wichtigste aber ist es doch, diese Liebe, diese Gelöstheit erlebt zu haben. Das, dieses Erleben, ist die Wirklichkeit. Das war auch Wolfgangs Wirklichkeit, und alles, was noch hätte können, was noch möglich gewesen wäre, bedeutet dagegen nicht viel. Und so bedeutet es vielleicht auch nicht viel und ist doch über alles zu wünschen, dass seine Werke überdauern und dass ihnen noch in vollem Umfang die Anerkennung zuteil wird, die ihnen gebührt. Doch das Wichtigste ist, wie gesagt, diese Liebe, dieses Schaffen erlebt zu haben. Und in diesem Sinne werden wir vielleicht auch unsere Trauer erleben. Die Trauer arbeitet sich ab, sie arbeitet sich durch zu einem schmerzhaften und zugleich tröstenden Kern, zu der Einsicht: Dadurch, dass wir den geliebten Menschen verloren haben, ist uns kein Unrecht geschehen.; vielmehr war uns das Geschenk zuteil, mit ihm leben und seine Liebe erfahren zu dürfen (Seneca). Doch noch bevor die Trauer sich durchleidet hin zu dieser Einsicht, zu diesem Erleben, in dem die Erinnerung an Wolfgang etwas Tröstendes, Beglückendes bekommt, können die, die ihm nahe waren, an sich selbst eine Veränderung, eine Verwandlung erfahren. Es gibt ein Weiterleben – ob nach dem Tode, weiss ich nicht, wohl aber, wie ich sagen möchte, ein Weiterleben im Tode. Weiterleben im Tode, das müssen die, die zurückgeblieben sind. Wenn ein geliebter Mensch von uns geht, dann sterben wir mit ihm und sind zumindest mit einem Teil unserer selbst bei ihm – im Tode. Wenn ein geliebter Mensch von uns geht , erfahren wir aber auch seine geradezu allgegenwärtige Präsenz, seine lebendige Anwesenheit in unseren eigenen Gesten und Gebärden, in unserer Art zu denken und zu sprechen. In einem Kokon von Trauer, Liebe und Erinnerung stellt die Zuversicht sich ein, dass die Trennung nur vorübergehend sei. Und unsere Erfahrung scheint zu sagen: Da sind nicht nur unsere Erinnerungen und Gedanken, nicht nur die Gesten und Redensarten, die wir mit ihm gemeinsam hatten, sondern er selbst ist da. Die Verstorbenen selbst umfluten uns mit der ganzen Weite des Himmels, sie selbst empfinden, reagieren, leben in unserem eigenen Innern fort. Dieses Gefühl, diese Erfahrung mag täuschen. Trotzdem sollten wir sie ernstnehmen. Denn mit Bezug auf den Tod und ein Weiterleben darüber hinaus ist sie vielleicht die elementarste Erfahrung, die wir haben. Liebe Freunde, in Wolfgangs Werk ist das Nichts überall greifbar. Es ist plastisch gestaltet, verdichtet zu Licht, Raum, Form und Fülle. Es wird sichtbar und spürbar als der Horizont, in dem und aus dem alles überhaupt erst möglich wird. Die Welt der Natur und die Welt der Kultur, Materie und Geist verschränken sich aus diesem unfassbaren Nichts heraus, das alles umfängt und alles möglich macht und in das letztlich alles entflieht. Unser Begreifen versagt davor: In Wolfgangs Werken hat es in seiner ganzen Vieldeutigkeit Gestalt angenommen. Dort können wir ihm weiter begegnen. Dorthin, in dieses allumgreifende, alles ermöglichende, gestaltete Nichts, ist Wolfgang eingetaucht. In der Trauer gibt es manchmal ein Gefühl der Ruhe, ein Gefühl von Gemeinsamkeit und Kraft, das Gefühl, dass man über den Tod hinaus weiter zusammenwächst. Dieses Gefühl wünsche ich uns allen, vor allem aber wünsche ich es Euch, die Ihr Wolfgang sehr nahe gewesen seid. Dass Ihr spürt, wie Ihr selbst ein Stück weit bei ihm im Tode seid, vor allem aber, dass ihr spürt, wie er in Euch lebendig wird und bleibt. Dann seid Ihr schon im Leben vom Tod umfangen, Wolfgang aber wird noch im Tod von Leben umströmt sein.
© Hans-Joachim Pieper (27.11.2017)
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